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14. Dezember 2020

Zehn Jahre Nagoya-Protokoll

Das Nagoya-Protokoll zum Schutz der Biodiversität und mit Regelungen zum Zugang zu genetischen Ressourcen ist seit zehn Jahren in Kraft. Ein Überblick über die Historie des Abkommens und ein Interview mit BRAIN-Mitarbeiter Dr. Dirk Sombroek zur Bedeutung des Abkommens für Biotechnologie-Unternehmen wie BRAIN.

Der offizielle Schutz der Biodiversität im Industriezeitalter begann 1992 mit einem für Konferenzteilnehmer ausgelegten Abkommen in Rio de Janeiro: Drei Ziele waren in dem weltweit umfassendsten "Abkommen über die biologische Vielfalt", der „Convention on Biological Diversity“ (CBD) formuliert worden. Eines darunter lautete, die biologische Vielfalt zu erhalten. Die beiden anderen Ziele: die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt und eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung von genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile.

Die CBD war eines von insgesamt drei völkerrechtlichen Abkommen, und die Verantwortlichen hatten es bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in der brasilianischen Küstenmetropole zur Unterzeichnung ausgelegt. Das Übereinkommen trat Ende 1993 völkerrechtlich in Kraft; Deutschland erklärte sich im Jahr danach als Vertragspartei.

Regeln für Zugang und Vorteilsausgleich

Auf Basis der CBD verabschiedete 2010 die UN-Biodiversitätskonvention dann in Japan das sogenannte Nagoya-Protokoll. Mit dem Protokoll wurden u.a. international verbindliche Regelungen für den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte Gewinnaufteilung aus deren Nutzung verabschiedet. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) nannte das Nagoya-Protokoll einen aktionsorientierten strategischen Plan u.a. für die Wirtschaft und ein „Instrument für den internationalen Naturschutz“ (BfN).

Das Nagoya-Protokoll basiert auf den Prinzipien des Zugangs und Vorteilsausgleichs (“Access and Benefit Sharing”, ABS); danach unterliegen genetische Ressourcen den nationalen Souveränitätsrechten der Ressourcenstaaten. Diese erhalten mit Unterzeichnung des Abkommens die Befugnis, den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen von ihrer Zustimmung abhängig zu machen und für die Nutzung dieser Ressourcen eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben (Benefit-Sharing), zu fordern.

„Das Nagoya-Protokoll bildet einen internationalen Rahmen für den Zugang zu genetischen Ressourcen und sich darauf beziehendem traditionellem Wissen, zum Vorteilsausgleich und zu Regelungen für die Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer.““

Aus: Leitfaden zu dem Anwendungsbereich und den Kernverpflichtungen der Verordnung (EU) Nr. 511/2014

Auf EU Ebene entstand im Mai 2020 außerdem eine Selbstverpflichtung zur Erhaltung der Biodiversität in Form der „EU-Biodiversitätsstrategie für 2030“. Darin enthalten ist u.a. das Ziel nach fairen und gerechten Anteilen an den sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt ergebenden Vorteilen.

Der Wert der Biodiversität

Bis 2020 sollten die Ziele aus dem CBD zum Schutz der Biodiversität erreicht werden. Laut dem kürzlich erschienen Bericht „Wirtschaften im Einklang mit der Natur“, einer Zusammenarbeit der Boston Consulting Group (BCG) und des Naturschutzbund Deutschland (NABU), sind allerdings die meisten dieser Ziele nicht erreicht worden. Als Ursachen sehen die Autoren „dürftige nationale Umsetzungen, mangelnde bedarfsorientierte Finanzmittel sowie unzureichende Anreize, den wirtschaftlichen Ursachen des Verlusts von Biodiversität entgegenzutreten“.

Dabei stellt Biodiversität laut des NABU-BCG-Berichts jährlich – zusätzlich zu ihrem Eigenwert – mehr als 170 Billionen US-Dollar an Ökosystemleistungen bereit! Die biologische Vielfalt zu erhalten, hat also für viele Wirtschaftszweige direkte wirtschaftliche Vorteile. Es ist daher nur logisch, dass die Autoren des Berichts dafür plädieren, den Biodiversitätsverlusten aus ökologischen und ökonomischen Gründen effektiv entgegenzutreten und dabei die Wirtschaft künftig stärker in die Verantwortung zu nehmen.

Interview

Sammlungen von Mikroorganismen und Naturstoffen sind wichtige Lieferanten genetischer Ressourcen. Bei BRAIN ist eine solche Sammlung, das BRAIN BioArchiv, die Basis für die vielen innovativen Produkte und Lösungen für die Industrie. Was bedeutet das Nagoya-Protokoll für ein Biotech-Unternehmen wie BRAIN?

Dirk Sombroek: Mit dem Nagoya-Protokoll will die Staatengemeinschaft grob gesagt Biopiraterie verhindern. Der Zugang zu genetischen Ressourcen wird reguliert und es soll eine gerechte Gewinnaufteilung aus dem Nutzen dieser Ressourcen stattfinden. Hier geht es z.B. um den Schutz von Lebensräumen für Tiere und Menschen, aber auch darum, dass indigene Völker davon profitieren, wenn Unternehmen aus Industrieländern bei neuen Entwicklungen von ihrem traditionellen Wissen Gebrauch machen.

Über hundert Staaten haben das Nagoya-Protokoll ratifiziert, darunter auch Deutschland. Deshalb halten wir uns bei BRAIN natürlich an das Abkommen. Wir sind uns unserer Verantwortung, die sich aus dem Nagoya-Protokoll ergibt, bei unserer Arbeit stets bewusst. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) überprüft in Deutschland die Einhaltung des Nagoya-Protokolls nach der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 und hat die BRAIN AG auch schon entsprechend „unter die Lupe“ genommen – bislang ohne Beanstandungen.

Was genau gehört zu „genetischen Ressourcen“?

Dirk Sombroek: Per Definition gehört zu genetischen Ressourcen Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält. Wir arbeiten mit genau solchen Ressourcen, wenn wir z.B. Mikroorganismen aus Gesteins- und Erdproben oder Naturstoffe aus pflanzlichen Materialien isolieren und analysieren.

Was ist z.B. mit Hefezellen, die zum Bierbrauen eingesetzt werden? Fallen die auch unter das Nagoya-Protokoll? Und was ist mit humanen genetischen Ressourcen?

Dirk Sombroek: Das Bierbrauen fällt zwar auch unter den Begriff „Biotechnologie“, aber nur als Bestandteil des Brauverfahrens. Solange dabei die genetische Ressource „Hefepilz“ nicht Gegenstand von Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist, wird das nicht als Nutzung im Sinne des Nagoya-Protokolls angesehen.

Humane genetische Ressourcen fallen nicht in den Rahmen des Abkommens, auch der Umgang mit Saatgut und pandemischen Influenzaviren ist an anderer Stelle geregelt. Für diese Ressourcen gibt es gesonderte Richtlinien, die die Nutzung regeln.

Das Nagoya-Protokoll ist jetzt zehn Jahre alt. Im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts haben in der Forschung neue Technologien und neue Erkenntnisse weitere potenzielle Arten genetischer Ressourcen ans Licht gebracht, an die damals noch niemand dachte. Muss das Nagoya-Protokoll angepasst werden?

Dirk Sombroek: Die Bewertung von z.B. digitalen Gen-Sequenzinformationen oder humanen Darm-/ Haut-Mikrobiomen im Sinne von Nagoya ist in der Tat schwierig. Ich denke, hier müssen in der Zukunft Anpassungen bei der Definition der genetischen Ressourcen vorgenommen werden. Es heißt aber, dass eine von der EU überarbeitete Richtlinie schon auf dem Weg ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person: Dr. Dirk Sombroek arbeitet seit 2010 bei der BRAIN AG und leitet seit 2019 die Technologie-Unit BioActives & Performance Biologicals.

Quellen (alle abgerufen am 7. Dezember 2020):

Website Convention on biological diversity, CBS: www.cbd.int

The Nagoya Protocol on Access and Benefit-sharing: www.cbd.int/abs/

The Biodiversity Imperative for Business. Joint study by NABU (BirdLife Partner in Germany) and the Boston Consulting Group (BCG): www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/biodiv/200923-nabu-bcg-studie-biodiv-englisch2.pdf

EU Biodiversity strategy for 2030: https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/actions-being-taken-eu/eu-biodiversity-strategy-2030_en

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