Fermentation bei BRAIN
© BRAIN AG
21. Januar 2021

Zwei vor, eins zurück – der Weg zur perfekten Fermentation

Fermentieren gehört zum Basisprozess biotechnologischer Produktionen. Sollen Fermentationsansätze vom Labor- in den Produktionsmaßstab hochskaliert werden, geht manch´ ein Ansatz vom bereits größeren Format wieder zurück ins kleine Laborformat, bis dann der Fermentationsansatz im großen Maßstab steht. Wir haben zwei Experten von BRAIN zum Thema Fermentation, zu Planungen und zu technischen Herausforderungen befragt.

Die Corona-Pandemie hat viele Hobbies zu neuem Leben erweckt. Unter anderem haben viele Menschen das Backen mit Sauerteig als willkommenen Zeitvertreib (und durchaus auch als Herausforderung) für sich entdeckt. Mehl, Luft und Wasser – viel mehr braucht es nicht! Der biochemische Prozess, der zugrunde liegt, wenn Mikroorganismen aus der Luft mit Mehl und Wasser zusammenkommen und man ihnen ein bisschen Zeit lässt, ist die Spontangärung.

Im Gegensatz zu einer solchen Spontangärung werden zielgerichtete Fermentationsprozesse bis ins Detail geplant. Spezielles technisches Equipment ist erforderlich und natürlich viel Erfahrung. Bei der BRAIN AG in Zwingenberg wird im kleinen Maßstab im Labor fermentiert, gelegentlich auch in einem etwas größeren Pilotmaßstab mit bis zu 200 Litern. Für größere Fermentationen im Produktionsmaßstab fermentiert der britische Enzym-Spezialist Biocatalysts für die Kunden der BRAIN-Gruppe.

Wir haben die Bioprozess-Spezialisten Dr. Christian Naumer und Sebastian Hohlreiter von der BRAIN AG gefragt, wie eine zielgerichtete Fermentation abläuft und welche technischen Details zu beachten sind.

Sebastian, was passiert biochemisch gesehen in einem Fermenter?

SEBASTIAN HOHLREITER: Im Grunde agieren die Mikroorganismen wie wir (lacht): Sie essen, um zu leben. Neben Nährstoffen brauchen die meisten, wie wir auch, Luft – auch diese wird in einem Fermenter bzw. einem Bioreaktor bereitgestellt.

Technisch gesehen ist ein Fermenter nichts anderes als ein geschlossenes Gefäß, in dem gerührt wird. Wir geben einen bestimmten Mikroorganismus (MO) hinzu und dieser nutzt das im flüssigen Medium vorliegende Angebot aus organischen Substanzen, Nährstoffen und Spurenelementen, um Energie zu gewinnen. Enzyme im Inneren der Zellen setzen das Substrat um, dabei wird ATP gebildet, die Energie der Zellen. Diese Energie nutzen die Organismen zur Vermehrung und zur Produktion von Zielmolekülen. Die Stoffwechselprodukte verbleiben entweder in der Zelle oder werden ins Medium abgegeben.

Unter bestimmten Bedingungen, die von Organismus zu Organismus unterschiedlich sein können, produzieren die Mikroorganismen aus den Substraten dann Wertstoffe. An diesen sind wir bzw. unsere Kunden besonders interessiert. Das können Enzyme, Proteine oder kleine Moleküle sein, die dann in industriellen Prozessen eingesetzt werden und im Fall von Enzymen chemische Reaktionen durch biochemische Reaktionen ersetzen. Die Produktion solcher Wertstoffe wird im Fermenter z.B. durch das Einbringen von Genen in die Mikroorganismen künstlich hervorgerufen. Das Anschalten der Gene erfolgt durch Induktion mit einer bestimmten Substanz oder durch den Mangel eines Nährstoffs.

Wie plant ihr eine Fermentation, bevor ihr loslegt?

CHRISTIAN NAUMER: Im Fermenter herrschen idealerweise bestmögliche Bedingungen für die Organismen: z.B. hinsichtlich der Art und Konzentration des Nährstoffangebots, der Temperatur, dem pH-Wert oder dem Sauerstoffgehalt. Grundsätzlich gilt es daher zunächst einmal so viele Informationen wie möglich bezüglich des Wachstumsverhaltens und der Bedürfnisse des Stammes einzuholen. In welchem Medium wächst er besonders gut? Bei welchem pH-Wert? Braucht er eine spezielle chemische Verbindung zum Wachsen?

Dann wird untersucht, ob eine Batch- oder eine Zulauf-Fermentation (Fed-Batch) besser geeignet ist. Im Falle einer Fed-Batch Fermentation wird danach eine „Feeding-Strategie“ festgelegt. Auch die weiteren Prozessbedingungen müssen definiert werden, sprich Temperatur, Rührerdrehzahl (und Regelung), Begasungsrate und Dauer des Fermentationsprozesses. Viele dieser Informationen sind in wissenschaftlichen Publikationen beschrieben, aber gerade bei Spezialfällen oder schlecht beschriebenen Organismen muss vieles davon in Vor-Experimenten ermittelt werden. So kann es durchaus einige Zeit dauern, bis wir das erste Mal mit einem neuen Stamm in den Fermenter gehen.

Fermentation at BRAIN AG
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Die Prozessentwicklung beginnt im kleinen Maßstab, z.B. im 2-Liter-Fermenter (Bild links). Nach der erfolgreichen Optimierung findet eine Maßstabsvergrößerung statt hin zu Reaktoren mit einem Volumen von 2000 Litern oder mehr (Bild rechts: ein 3000-Liter-Fermenter).

Was unterscheidet – abgesehen vom Volumen – einen Fermenter im Labormaßstab von einem Fermenter im Industriemaßstab?

CHRISTIAN NAUMER: Fermenter im kleinen Maßstab haben eine viel bessere Durchmischung, da es möglich ist, den Rührer sehr schnell zu drehen, z.B. mit 2000 Umdrehungen pro Minute. Im großen Maßstab ist schnell das Maximum von etwa 200 Umdrehungen pro Minute erreicht. Dadurch nimmt neben der Durchmischung auch der Eintrag von Sauerstoff ins Medium deutlich ab. Dies sind die bedeutendsten Unterschiede zwischen den beiden Größen – und damit auch die Wichtigsten. Daneben führt die Größe im Industriemaßstab dazu, dass das Kühlen des Bioreaktors anspruchsvoller und auch teurer wird.

Die großen Fermenter sind meist Edelstahlbehältnisse, wohingegen im Labor häufig Glasgeräte eingesetzt werden. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Ausgangsbedingungen für die Sterilisation und Reinigung. Diese werden im Kleinen noch händisch durchgeführt und der Fermenter wird in einem Autoklaven, einer Art Dampfkochtopf, sterilisiert. Die großen Fermenter dagegen werden mit heißem Dampf oder chemisch sterilisiert. Hier werden zur Reinigung spezielle Programme eingesetzt, die es ermöglichen, alle zum Fermenter hin- und abgehenden Leitungen zu reinigen. Ansonsten sind die Fermenter im Labormaßstab mit der gleichen Sensorik ausgestattet wie im Industriemaßstab, sodass sich die die gleichen Daten erheben lassen.

Welche unterschiedlichen Fermentationsarten gibt es aus technischer Sicht?

SEBASTIAN HOHLREITER: Man unterscheidet drei verschiedene Arten, die Batch-, die Fed-Batch- und die kontinuierliche Fermentation. Beim Batch wird so lange kultiviert, bis die Nährstoffquelle erschöpft bzw. aufgebraucht ist und ein Mangel vorliegt. Danach können die Organismen nicht länger wachsen und gehen in die sogenannte Stationäre Phase über, bis sie letztendlich absterben. In der Regel wird die Fermentation beendet, sobald erkannt wird, dass die Energiequelle erschöpft ist.

Wird nach Erschöpfen des Nährstoffangebots der Mangel in Form eines Zustroms (= Feed) behoben, spricht man vom Fed-Batch Prozess. Dieser Feed kann in verschiedenen Möglichkeiten hinzudosiert werden, sodass das Wachstum der Zellen linear, exponentiell oder konstant verläuft. Durch die Möglichkeit eines Feeds wird in der Regel deutlich mehr Wachstum und Produkt generiert. Dies ist das am meisten verwendete Verfahren bei uns im Labor.

Im kontinuierlichen Prozess werden konstant Nährstoffe zugefüttert, und die Menge, die in den Reaktor gelangt, wird über einen Auslass abgenommen. Dadurch erhält man ein Gleichgewicht zwischen Zu- und Abstrom und das Volumen im Kessel bleibt konstant. Dadurch kann für sehr lange Zeit kultiviert werden, und Einflüsse auf das Zellwachstum können abgebildet bzw. beobachtet werden.

Process regulation during fermentation at BRAIN AG
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Dr. Christian Naumer und Sebastian Hohlreiter (rechts) bei der Prozesskontrolle. Jeder Organismus benötigt bestimmte Vorraussetzungen zum Wachstum und zur Produktbildung – diese Parameter werden ständig überwacht und bei Bedarf angepasst.

Welche Mikroorganismen kommen bei BRAIN bei Fermentationen beispielsweise zum Einsatz?

CHRISTIAN NAUMER: Wir arbeiten mit verschiedensten Bakterien, wie Bacillus subtilis/ licheniformis, Pseudomonas putida und Escherichia coli. Aber auch Hefen und Pilze, wie Picha pastoris, Kluyveromyces lactis und Aspergillus niger. Wir kultivieren zudem auch exotischere Organisamen, u.a. Streptomyceten, Aceotbacterium woodii und Rhizomucor mihei.

Wenn bei BRAIN ein bestimmter Ansatz zur Zufriedenheit im Labormaßstab fermentiert wird und dieser Ansatz dann z.B. beim BRAIN-Partner Biocatalysts auf einen größeren Maßstab umgestellt wird: Wie geht so ein Scale-up vor sich? Welche Schwierigkeiten können dabei auftreten?

SEBASTIAN HOHLREITER: Zu Beginn muss das Verfahren im Labormaßstab, also mit ein bis zehn Litern, entwickelt und etabliert werden. Danach wird der Prozess in die nächste Größe übertragen. Bei uns in Zwingenberg kommt dann unser 200-Liter-Reaktor zum Einsatz. Danach wird das optimierte Verfahren gut dokumentiert z.B. an unser Tochterunternehmen Biocatalysts transferiert, da dort in einem noch größeren Maßstab kultiviert werden kann (500 – 8000 Liter).

Bei einem solchen Tech-Transfer steht man in ständigem Austausch mit Kollegen in den anderen Unternehmen. Es gilt nun, die fremden Bedingungen bestmöglich auf den eigenen Prozess anzuwenden. Da nicht jedes Labor gleich ausgestattet ist, können hier Probleme unterschiedlichster Art auftreten. Wenn z.B. der Partner nicht die gleiche Filtermembran nutzt, die wir zur Zellabtrennung genommen haben, kann es unterschiedliche Ergebnisse bei der Ausbeute geben. Dann gehen wir bei BRAIN zurück in den Labormaßstab und testen Alternativen, zum Beispiel die Zellabtrennung mittels Separation oder Zentrifugation – natürlich mit Hinblick auf die Möglichkeiten, die dem Hersteller zu Verfügung stehen.

Andere Probleme können bei der Methodik zum Ansetzen von Flüssigmedien auftreten, oder wenn der Partner-Hersteller auf eine bestimmte Mediumkomponente verzichten möchte, da es bekanntermaßen Einflüsse auf die eigenen Reaktoren hat. So wird der Prozess während des Tech-Transfers bzw. des Scale-Ups immer spezifischer auf die Vorgaben des Herstellers definiert, bis dort dann die ersten Prozesse im Großen gefahren werden. Auch wird innerhalb des Transfers viel Fein-Tuning betrieben. Der wichtigste Faktor bei alledem ist die Kommunikation. Nur wenn richtig und auf einer Ebene gesprochen wird, kann das Ganze funktionieren.

Seht ihr einen Trend in der Fermentation der Zukunft?

SEBASTIAN HOHLREITER: Vom technischen Aspekt her sehe ich mehrere Möglichkeiten. Insbesondere in der pharmazeutischen Biotechnologie sind Single-use-Bioreaktoren schwer angesagt. Das sind, wie der Name schon sagt, Reaktoren aus Kunststoff, die nach einmaliger Benutzung entsorgt werden. Dadurch entfallen aufwändige Reinigungs- und Sterilisationsverfahren. Auch die Prozesssicherheit wird durch das minimierte Risiko von Kreuzkontaminationen erhöht. Diesen Vorteilen steht natürlich der Wegwerf-Aspekt gegenüber.

CHRISTIAN NAUMER: Was die Produkte aus Fermentationen angeht, ist die Herstellung von tierischen Proteinen in Fermentationen, die sogenannte „Precise Fermentation“ oder Präzisionsfermentation, eine Zukunftstechnologie, die in den nächsten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen wird.

Vielen Dank euch beiden für das Gespräch!

Zur Person:

Dr. Christian Naumer: Der promovierte Biotechnologe begann 2005 als Research Scientist seine industrielle Karriere bei BRAIN. Seit Juli 2019 leitet er die Technology-Unit Bioprocess Development.

Sebastian Hohlreiter hat nach dem Bachelor- und dem Masterstudium in Biotechnologie seinen beruflichen Werdegang 2018 bei BRAIN begonnen. Er kümmert sich um die Entwicklung von Fermentationsprozessen und deren Transfer zum Lohnhersteller.


Unsere Services zur Skalierung der Produktion:

Prozessentwicklung: Etablierung vor- und nachgelagerter Prozesse für eine effiziente und kostengünstige mikrobielle Produktion.

Prozessoptimierung:
Identifikation optimaler Parameter für bestmögliche Produktionsergebnisse.

Produktmischung und -formulierung:
Unübertroffene Expertise im Bereich Enzymmischungen und bei der Formulierung biobasierter Produkte.

→ Lesen Sie mehr zum BRAIN Biotech-Portfolio und zu unseren Services

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