Digitalministerin bei BRAIN
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21. September 2020

Metagenomanalytik – digital unterstützt

Bei einem Besuch der hessischen Digitalministerin in Zwingenberg stand die digitalisierte Metagenomanalytik bei BRAIN im Mittelpunkt.

Was nützt die Digitalisierung dem Menschen? Dieser Frage ging in diesem Sommer die hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung Prof. Dr. Kristina Sinemus nach. Dazu besuchte sie unterschiedlichste Unternehmen und Institutionen in Hessen – unter anderem die BRAIN AG in Zwingenberg.

Was für ein schöner Zufall: Die Ministerin selbst ist graduierte Biologin und so konnten die Referenten, der Biotechnologe Dr. Alexander Pelzer und der Bioinformatiker Dr. Paul Scholz, ein Grundverständnis für ihre Ausführungen voraussetzen. Als Anwendungsbeispiel hatten die beiden ihr Steckenpferd, die digitalisierte Metagenomanalyse, als Thema gewählt. Anschaulich erläuterten sie, welche Rolle die digital gestützte Analyse von zunächst unüberschaubaren Datenmengen spielt – und wie sie für die Identifizierung und Optimierung von Enzymen genutzt werden kann, die später in industriellen Prozessen eingesetzt werden.

Big Data bildet mikrobielle Diversität ab

Was ist per Definition ein Metagenom? Eine in einer natürlichen Umgebung gewonnene Bodenprobe enthält eine Vielzahl und Vielfalt von Mikroorganismen – und die Erbinformation aller dieser Mikroorganismen bildet in einer solchen Probe das sogenannte Metagenom. Mit der mikrobiellen Diversität geht auch eine Diversität an Biomolekülen einher – diese nutzen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bei BRAIN, denn letztlich geht es darum, für kundenspezifische Anforderungen optimierte Enzyme zu entwickeln.

„Nur durch die vorschreitende Digitalisierung und die damit einhergehende rapide Zunahme von Rechenkapazität sind wir in der Lage große Datenmengen zu handhaben und auszuwerten.“

Dr. Paul Scholz, Bioinformatiker bei BRAIN

Um von den vielen Genen zu vielen Biomolekülen zu kommen, sequenzieren die Spezialisten und Spezialistinnen bei BRAIN zunächst das Metagenom, d.h. sie bestimmen die Nukleotid-Abfolge der DNA. Als Methode setzen sie die sogenannte Nanopore-Sequenzierung ein. Die so generierte Datenmenge ist enorm: Bis zu 280 Giga-Basenpaaren werden auf diese Art pro Woche generiert. „Nur durch die vorschreitende Digitalisierung und die damit einhergehende rapide Zunahme von Rechenkapazität sind wir in der Lage diese Datenmengen zu handhaben und auszuwerten, sagt Paul Scholz, der die zugehörige Technologie bei BRAIN aufgebaut hat und die Bioinformatik seit zwei Jahren leitet.

Die gewonnenen Sequenzdaten ordnet der Bioinformatiker im nächsten Schritt digital ein und wertet sie in Form einer vergleichenden Analyse digital aus. Nur so ist die Verarbeitung der großen Biodiversität aus einer kleinen Probe machbar und ermöglicht es theoretisch aus einem einzigen Gramm einer Bodenprobe bis zu 1010 Mikroorganismen zu identifizieren und zu charakterisieren. Deren zum Teil neu entdeckte Biomoleküle, darunter Proteine und Enzyme, kommen unter Umständen später in biotechnologischen Anwendungen zum Einsatz. Haben die Wissenschaftler ein Biomolekül mit Potenzial digital identifiziert, erstellen sie davon eine „digitale Variantenbibliothek“ und optimieren das Molekül zunächst bioinformatisch.

Die Daten anwenden

„Die Überprüfung dessen, was der Computer abbildet und was sich dann in der Realität in Labortests wiederfindet, kann allerdings nur analog im Labor stattfinden“, sagt Alexander Pelzer. Der Biotechnologe und „Protein-Ingenieur“ ergänzt: „Die Natur birgt ein so enormes Potenzial an noch unentdeckten Biomolekülen – und um den großen Datenschatz zu heben, brauchen wir beides: sowohl die neuen digitalen Möglichkeiten als auch Experten und Expertinnen im Labor.“

„Um den großen Datenschatz zu heben, brauchen wir beides: sowohl die neuen digitalen Möglichkeiten als auch Experten und Expertinnen im Labor.“

Dr. Alexander Pelzer, Biotechnologe bei BRAIN

Bei diesem digitalen Optimierungsprozess kommen teilweise Strukturmodelle zum Einsatz, die ein digitales 3D-Modell aus der eindimensionalen linearen Aminosäuresequenz eines Enzyms voraussagen. „Diese 3D-Modelle geben uns Hinweise auf Stellschrauben, an denen ein Enzym in seinen Eigenschaften verbessert werden kann“, erklärt Alexander Pelzer. Bei einer einmaligen Überprüfung des theoretischen Modells im Labor bleibt es jedoch selten. Ein Enzym wird stattdessen meistens schrittweise und unter vordefinierten Bedingungen für die geplante industrielle Anwendung in mehreren Zyklen optimiert.

Expressionsstudien und Protein-Engineering

Der digitalen, sequenzgetriebenen Entdeckung eines Enzymkandidaten folgen Expressionsstudien im Labor: Die DNA wird dazu synthetisiert und in einen geeigneten Mikroorganismus eingebracht. Dieser soll die DNA zuverlässig „übersetzen“, so dass der Mikroorganismus das zugehörige Enzym produziert. Entsprechen die Eigenschaften des Enzyms noch nicht den Erwartungen, wird im Prozess des „Protein-Engineerings“ nachjustiert – entweder durch rationales Design, also der digitalen Voraussage einer Molekülveränderung, oder durch gerichtete Evolution (Mutation und Selektion). BRAIN wendet in der Regel ersteres Verfahren an. Alexander Pelzer: „Auf diese Art können z.B. das Temperatur-Optimum und das pH-Optimum eines Enzyms so angepasst werden, dass es die Anforderungen unserer Kunden an ihren Industrieprozess erfüllt.“

Bewähren sich der Mikroorganismus und das identifizierte Enzym, wird der Fermentationsprozess hochskaliert, um größere Mengen des Enzyms zu produzieren.

Nutzen für den Menschen

Zurück zum Besuch der Ministerin: Nach dem konkreten Nutzen der Digitalisierung in dieser Anwendung für den Menschen gefragt, waren sich die Wissenschaftler einig, dass die jetzigen digitalen Möglichkeiten – auch in der Kombination mit KI – es ermöglichen bis dato nicht bekannte Enzymaktivitäten so effizient vorherzusagen, dass man einige der sich wiederholenden Zyklen zwischen Labor- und Datenbank einsparen kann. Neben diesem praktischen Nutzen für die tägliche Arbeit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen profitiere aber vor allem die Gesellschaft als Ganzes von den neuen digitalen Möglichkeiten, denn optimierte Enzyme könnten z.B. den Energieaufwand in einem industriellen Prozess oder die Menge umweltschädlicher Chemikalien reduzieren und so zu mehr Nachhaltigkeit in der Industrie führen.

Die digitalisierte Metagenomik bei BRAIN:
Basis für natürliche und nachhaltige Lösungen für industrielle Herausforderungen

  • Die schnell wachsende digitalisierte Datenressource als Basis für das Screening umfasst bei BRAIN mehr als 2000 Gbp proprietäre genetische Information.
  • In der Metagenomdatenbank von BRAIN befinden sich derzeit mehr als 100 Mio. funktional annotierte Gene.
  • Der Einsatz von „Next-Generation-Sequencing“ (NGS) öffnet BRAIN den Zugriff auf noch unbekannte natürliche Biodiversität.
  • In-silico-basierte Techniken ermöglichen es neue Moleküle anhand ihrer strukturverwandten Nachbarmoleküle innerhalb kurzer Zeit zu entdecken.
  • Der Einsatz des rationalen Protein-Engineerings bei BRAIN ermöglicht eine schnelle und spezifische Enzymoptimierung.

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